UN-Konvention - Rechte von Menschen mit Behinderung

 

Datum: 03.05.2013; Quelle: BIZEPS; AutorIn: BIZEPS 

Wie lange ignoriert Österreich die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen?


Die Umsetzung der garantierten Menschenrechte ist - typisch österreichisch - bisher nicht passiert.

Heute vor 5 Jahren trat die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen in Kraft. Österreich hat sich verpflichtet die darin genannten Rechte umgehend umzusetzen und dies auch gesetzlich beschlossen (BGBl. III Nr. 155/2008).

"Es ist beschämend mit welcher Gleichgültigkeit Österreich die Umsetzung des völkerrechtlichen Vertrages unterlässt", hält Martin Ladstätter, Obmann der Behindertenberatungszentrum BIZEPS fest und ergänzt: "Weder im Bereich der Inklusiven Bildung, der Barrierefreiheit oder der Persönlichen Assistenz und dem Selbstbestimmten Leben wurden in den vergangenen 5 Jahren Fortschritte erzielt."

Im Gegenteil: Statt Schritt für Schritt die Verpflichtungen der UN-Konvention umzusetzen wurden stattdessen Bestimmungen des Pflegegeldes verschärft und die Verpflichtung zur Barrierefreiheit im Gleichstellungsgesetz um 4 Jahre verschoben. "Auch im Bildungsbereich müssen wir auf fünf verlorene Jahre zurückblicken. Noch immer werden in Österreich rund die Hälfte aller behinderten Schülerinnen und Schüler in Sonderschulen abgeschoben."

Die einzige sichtbare Maßnahme der Bundesregierung war das Zusammenschreiben von Absichtserklärungen - genannt "Nationaler Aktionsplan". "Wir brauchen aber keine Papiertiger sondern Taten. Diese Bundesregierung ist aber nicht gewillt die Diskriminierungen gegenüber behinderten Menschen zu beenden", hält Ladstätter abschließend fest.

 


Staatenprüfung Österreich Anfang September

 

Anfang September 2013 wird in Genf die Staatenprüfung Österreichs durch die Vereinten Nationen stattfinden - und zwar durch das Committee on the Rights of Persons with Disabilities, das die Umsetzung der UN Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen überwacht.

Kürzlich wurde die diesbezügliche Prüfliste - quasi die "Baustellen österreichischer Behindertenpolitik" - veröffentlicht.

[BIZEPS - Staatenprüfung Österreich: Die Prüfliste ist da]

 

 


Text: Dr. Ursula Naue · erstellt am: 29. April 2013 09:58 Uhr  

Staatenprüfung Österreich: die Prüfliste ist da

 

Die Prüfliste ist sieben Seiten lang und bezieht sich auf Artikel 1 bis 33 der UN Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen.

Anfang September 2013 wird die Staatenprüfung Österreichs durch die Vereinten Nationen stattfinden - und zwar durch das Committee on the Rights of Persons with Disabilities, das die Umsetzung der UN Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen überwacht.

In seiner 9. Sitzung (15. bis 19. April 2013 in Genf) wurde unter anderem Österreich besprochen und eine so genannte Prüfliste erstellt -

Diese Prüfliste, die wesentlicher Bestandteil der Staatenprüfung Österreichs ist, ist nun in der englischsprachigen Version auf der Website von Bizeps abrufbar.

Die Prüfliste ist sieben Seiten lang und bezieht sich auf Artikel 1 bis 33 der UN Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen.

 


Wichtige Aspekte der Prüfliste

 

Hier sollen kurz einige wichtige Aspekte der langen Prüfliste angesprochen werden:


1.        Struktur österreichischer Politik (Bund - Länder - Gemeinden):
Das Committee on the Rights of Persons with Disabilities fragt unter anderem im Kontext des Nationalen Aktionsplans Behinderung 2012 - 2020 nach, wie es denn nun mit der Umsetzung desselben wie auch der UN Konvention als solcher auf unterschiedlichen Ebenen österreichischer Politik beschaffen ist.


2.        Medizinisch-individuelles Modell von Behinderung:
Kritisch wird hervorgehoben, dass in österreichischen Gesetzen immer noch das medizinische Modell von Behinderung angewendet wird. Das Committee fragt nach, wie in diesen Definitionen von Behinderung Menschen mit Lernschwierigkeiten und Menschen mit Psychiatrieerfahrung verortet sind.


3.        Gebärdensprache:
Das Committee fragt nach, wie es mit der konkreten Umsetzung des Rechts auf Gebärdensprache aussieht und welche Maßnahmen ergriffen wurden und werden, damit der Gebrauch Österreichischer Gebärdensprache ermöglicht wird.


4.        Teilhabe und Partizipation:
Das Committee fragt nach, wie es mit der konkreten Einbeziehung von Organisationen von Menschen mit Behinderungen in österreichische Politikgestaltung aussieht.


5.        Übersetzungs’fehler’ in der deutschsprachigen Version der UN Konvention:
In Bezug auf die deutschsprachige Übersetzung wird darauf hingewiesen, dass zum Beispiel der Begriff Inclusion auf Deutsch als Integration übersetzt wurde - Konzepte, die grundsätzlich Unterschiedliches bedeuten.


6.        Datenmaterial:
Das Committee fordert in Bezug auf Diskriminierung genaue Daten und Zahlen zu Diskriminierungen in Österreich (Bundes- wie auch Länderebene; Schlichtungen wie auch Gerichtsfällen). Ebensolche Zahlen fordert das Committee in Bezug auf Unterstützungsleistungen für Selbstbestimmtes Leben im Vergleich zu Ausgaben für Einrichtungen. Weiters wird unter anderem Datenmaterial gefordert, das aufzeigt, wie viele Kinder mit Behinderungen welchen Schultyp besuchen und wie sich die Zahlen in den letzten Jahren verändert haben. Zahlen werden auch bezüglich der Arbeitssituation von Menschen mit Behinderungen gefordert. Das Committee will unter anderem auch wissen, warum die Zahl der Menschen in Werkstätten zugenommen hat. Gefragt wird weiters nach der Anzahl der Firmen, die das Zahlen einer Ausgleichstaxe einer Anstellung eines Menschen mit Behinderungen vorziehen.


7.        Bewusstseinsbildung:
Das Committee fragt nach, welche bewusstseinsbildenden Programme in den letzten vier Jahren durchgeführt wurden und was unternommen wurde, um Menschen mit Behinderungen positiv darzustellen.


8.        Barrierefreiheit:
In Bezug auf Barrierefreiheit werden unter anderem die langen Übergangsfristen ebenso kritisiert wie auch hinterfragt, wie es mit der barrierefreien Gestaltung von Arbeitsplätzen aussieht und inwieweit österreichisches Radio und Fernsehen barrierefrei angeboten wird.


9.        Unterstützte Entscheidungsfindung:
In der Prüfliste wird gefragt, inwieweit in Österreich das Konzept unterstützter Entscheidungsfindung umgesetzt wird.


10.        Zwangsmaßnahmen:
Kritisch wird hinterfragt, wie Österreich mit dem Bericht des European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment vom Februar 2009 umgegangen ist und was sich in Bezug auf Zwangsmaßnahmen in Einrichtungen verändert hat.


11.        Gewalt und Missbrauch:
Ebenso kritisch betrachtet das Committee die Situation in Bezug auf Gewalt gegen und Missbrauch von Menschen mit Behinderungen und fragt nach, was dagegen konkret unternommen wird. Zugleich fragt das Committee nach, wie es mit medizinischen Eingriffen ohne die Zustimmung der betroffenen Person steht. Besonders kritisch und deutlich ist die Prüfliste hier in Bezug auf Sterilisationen.


12.        Selbstbestimmt Leben:
Das Committee fragt nach, wie es um das Erweitern der Gruppe derer steht, die Persönliche Assistenz in Anspruch nehmen. Es wird nachgefragt, wie Österreich vorgeht, damit Persönliche Assistenz für alle Menschen mit Behinderungen für alle Bereiche des Lebens angeboten wird. Und das Committee fragt kritisch nach, was unternommen wird, damit der Grad der Institutionalisierung in Österreich abnimmt.


13.        Bildung und Ausbildung:
Gefragt wird, inwieweit die Umsetzung inklusive Bildung und Ausbildung vorangetrieben wird und welche konkreten individuellen Unterstützungsmaßnahmen existieren oder ausgebaut werden.

 

 

Baustellen österreichischer Behindertenpolitik


Zusammengefasst lässt sich sagen, dass die Prüfliste sehr kritisch die großen Baustellen österreichischer Behindertenpolitik auf den Punkt bringt. Die Prüfliste weist deutlich darauf hin, dass österreichische Behindertenpolitik nicht ausreichend auf die UN Konvention eingeht und daher ein Wandel der Politikgestaltung nicht ausreichend feststellbar ist.

Viel ist noch zu tun in Österreich, um den Ansprüchen und Grundideen der UN Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen gerecht zu werden.

 

 

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